Deutsch als Fremdsprache
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Hans Pfeiffer
Sie haben 1978 eine Dokumentation herausgebracht: „Dokumentation zur Situation junger österreichischer Autoren“. Sie sind ab 1982 Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Autorinnen Autoren,1 also Sie kennen wahrscheinlich besser als jeder Andere die Situation von Autoren … Autorinnen und Autoren, und zwar über Jahrzehnte hinweg.
Jetzt die Frage: Hat sich die Situation – also im Sinn von Arbeitsbedingungen, wirtschaftliche Situation, gesellschaftliche Rolle von Autorinnen und Autoren – seit den späten Siebzigerjahren verändert und wenn ja, wie?
Gerhard Ruiss
Die Situation hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Einerseits hat sich das Tempo gesteigert. Es ist – also – die Buchwelt ist genauso ins Rasen gekommen wie die Medienwelt. Man meint, dass in der Buchwelt die Umschlagsgeschwindigkeit von Büchern, wenn sie … es ist inzwischen der Stand heute: Wenn Sie einen Roman herausbringen, haben Sie ein Aufmerksamkeitsfenster von ein paar Wochen. Dann kann man sozusagen in die Lesereise gehen, aber die Medienaufmerksamkeit ist dann einmal fürs Erste vorbei. Früher war das so, ein Roman hat fünf Jahre gehalten. Jetzt ist der Roman … hat eine Saison, eine Buchhandelssaison, und dann, sozusagen, muss schon die Arbeit am nächsten weitergehen. Die Veröffentlichungen sind in schnelleren Abfolgen da, es gibt auch einen gewaltigen Kommerzialisierungsschub. Der Nimbus des … der Kernsparten der Literatur – Prosa, Drama, Poesie – ist nicht mehr so wichtig im Verlagsgeschäft, der ist zwar wichtig in der Literaturszene, aber nicht im Verlagsgeschäft, da setzt man auf die gut verkäuflichen, schnell absetzbaren Titel. Es ist der Zugang leichter geworden zum ersten Buch und vielleicht auch zum zweiten, aber auch der Verschleiß schneller. Das heißt, wenn man nicht liefert, wenn man nicht in den Markt liefert in der gewünschten, geeigneten Form, ist man ganz schnell wieder ausgemustert und hat's wesentlich schwerer zurückzukehren. Das heißt, wir haben's mit aggressiven Vermarktungsstrategien zu tun, die in den Siebziger-, Achtzigerjahren nicht der Fall waren, und wir haben's mehr denn je mit der Frage zu tun der eigenen Schreibhaltung. Man muss sich sehr früh entscheiden und bewusst sein: „Welche Schreibhaltung habe ich?“, weil die Frage halt sich doppelt stellt: „Womit leben?“, wenn man vom Schreiben lebt, und „Wovon leben?“, wenn man vom Schreiben lebt. Und da haben sich die Verhältnisse doch sehr zugespitzt und – und gibt’s halt, wie gesagt, schnellere Verschleißprozesse, die man in den früheren Jahrzehnten nicht gekannt hat.
Was sich entwickelt hat, zum Besseren, ist, dass wir es geschafft haben in den letzten Jahrzehnten, einen besseren Rechtshintergrund zu schaffen als er vorher war, und bessere finanzielle Ausstattungen bei den öffentlichen Mitteln. Das hat sich auch zum Positiven entwickelt. Ist aber dringend notwendig, weil ja die Marktschwächen abgefangen werden müssen, also wenn – sagen wir ein Beispiel – wenn keine Essays mehr publiziert werden, wenn keine Stücke mehr publiziert werden, was in den Siebzigerjahren noch der Fall war, wenn Lyrikbände nur am Rande publiziert werden, dann muss die Öffentliche Hand was tun, wenn sie diese Kategorien von Literatur erhalten möchte.
1 Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren (IG Autorinnen Autoren): https://www.literaturhaus.at/index.php?id=6541
Impressum Letzte Änderung: So., 7. Jan. 2024